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BeitragVerfasst: 23. Jun 2009, 19:20 
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Hofrat
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Angeregt durch eine, wie ich meine, unzulängliche Darstellung dieses interessanten Themas in einem anderen Forum, konnte ich es nicht lassen, genauer zu recherchieren, um Euch das Ergebnis hier präsentieren zu können.

Während in der Zeit der römischen Republik die Kommission der „Tresviri monetales“ für die Münzprägung verantwortlich war, so trat an deren Stelle in der Kaiserzeit eine allmählich immer straffer durchgegliederte Organisation der kaiserlichen Verwaltung, welche allerdings nach Quellenlage erst ab der Zeit Trajans (98 bis 117 n. Chr.) nachweisbar ist.
Die Organisation römischer Münzstätten selbst ist uns durch zahlreiche Quellen bekannt. Münzherr im eigentlichen Sinne war der Kaiser selbst, wenn auch der Senat immer als Kontrollinstanz fungierte. Das Geldwesen und damit auch die Münzprägung unterstand dem "Praefectus monetae", dem Ressortleiter der gesamten kaiserlichen Finanzverwaltung. Er trug den Titel „Rationalis oder a rationibus“ und war vom Senat bzw. Kaiser mit der administrativen Leitung der Münzprägung und Verteilung im römischen Reich betraut. In der Regel entstammte er dem Senatoren- oder Ritterstand. Diesem wiederum untergeordnet waren, hierarchisch gestaffelt, der "Procurator monetae" und die einzelnen "Officinatores" usw. usf. (Erläuterung siehe unten).
Jede Münzstätte bzw. Werkstatt verfügte über verschiedene, spezialisierte Fachkräfte, die mittleren und unteren Münzarbeiter (siehe Bild 1). Bei diesen handelte es sich in der frühen Kaiserzeit meist um „Freigelassene“ (felix augusti libertus) und Sklaven. Sie gehörten zur „familia monetalis oder familia monetaria“, die mit dem Zwang zur erblichen Berufsfolge unter Kaiser Aurelianus (270 bis 275 n. Chr.) einen zunftähnlichen Charakter annahm.

Oberaufsicht über das Geldwesen:

praefectus monetae – Präfekt für das Geldwesen, eine Art von Geldminister oder Staatssekretär für Geldwirtschaft (lat. praeficere = vorsetzen).

Leitung einer Münzstätte:

procurator monetae – Verwalter einer Münzstätte, der mit der administrativen Leitung einer Münzstätte betraut war (lat. procurare = nhd. verwalten).
optio et exactor auri, argenti aeris – Oberster Münzmeister, der für die technische Leitung einer Münzstätte und deren Werkstätten (officinae) zuständig war (lat. optio = nhd. Stellvertreter). Außerdem gehörte zu seinen Aufgaben auch die Kontrolle der verwendeten Kupfer-, Silber- und Goldlegierungen. (lat. exigire = nhd. genau abmessen, prüfen, beurteilen). Quelle: CIL XIII 1820.
officinator – Münzmeister, der für die technische Leitung einer einzelnen Werkstatt (officina) innerhalb einer Münzstätte (moneta) zuständig war.

Herstellung der Münzstempel:
praepositus – Vorsteher, ein kunstverständiger Vorgesetzter, der für die Qualität der Gravuren zuständig war (lat. praeponere = nhd. vorstehen).
signator – Stempelschneider, Münzarbeiter, der für die Gravur der Legenden zuständig war (lat. signare = nhd. mit einem Zeichen versehen, einschneiden).
scalptor – Graveur, Münzarbeiter, der die Portraits in die Münzstempel gravierte (lat. scalpare = nhd. gravieren, eingraben, stechen).

Münzprägung:
flator argentarius aerarius – Münzarbeiter, der den kupfernen oder silbernen Münzschrötling goß ((lat. flare = nhd. gießen, schmelzen und nhd. zum Kupfererz und Silber gehörig). Quellen: CIL II 5181, CIL VI 1647 = CIL X 1710, 9418 f.
scalptor sacrae monetae – Münzarbeiter, der den Münzstempel gravierte; Metallschneider bzw. Münzschneider (lat. scalpere = nhd. gravieren, eingraben, stechen). Quelle: CIL VI 8464.
suppostor – Münzarbeiter, der den Schrötling über den Unterseitenstempel hält (lat. supponere = nhd. unterlegen, hinzufügen, zureichen, an die Stelle setzen). Quelle: CIL VI 42 – 44.
aequator – Münzarbeiter, der für die Justierung von Prägestempeln und Münzschrötlingen zuständig war (lat. aequare = nhd. gleichmachen, geradestellen, auf gleiche Stufe stellen).
malleator monetae – Münzarbeiter, der mit dem Hammer auf die Münzstempel schlägt (lat. malleare = nhd. hämmern, zuschlagen). Quellen: CIL VI 44, CIL XIII 6619. Literatur: RE Suppl. V 649.
signator – Münzarbeiter, der für die Münzprägung zuständig war (lat. signare = nhd. stempeln, prägen). Quelle: CIL VI 42 – 44.
monetarius – Arbeiter in einer Münzwerkstatt (von lat. moneta = nhd. Münzwerkstatt, Münze). Quellen: CIL VI 2476, 8457, 8458, 8459, 8460, CIL XIII 2177. cf. 1820.
mediastinus – Gehilfe der spezialisierten Münzarbeiter.

Qualitätskontrolle, Buchführung und Auslieferung:
dispensator – Kassierer oder Zahlmeister, der die gefertigten Münzen übernahm, Bestands- und Lagerlisten anfertigte und schließlich die Münzen, in versiegelten Leinensäckchen (siehe Photo 3) verpackt, zur Auslieferung vorbereitete.
aequator monetae – Münzprüfer. Quelle: CIL VI 44, CIL XIII, 1820.
nummularius – Geldwechsler, Münzprüfer. Quelle: CIL VI 298, 8463.

Quellen und Sekundärliteratur:

1. Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL). Das „Corpus Inscriptionum Latinarum“ (CIL) ist eine umfassende Sammlung antiker lateinischer Inschriften. Als Dokumentation aller erhaltenen öffentlichen und privaten Inschriften eine unverzichtbare Quelle für das Leben im Römischen Reich und die römische Geschichte. Link mit Konkordanzen zum Herunterladen: http://cil.bbaw.de/dateien/konkordanz.html
2. G. Wissowa/W. Kroll/K. Mittelhaus/K. Ziegler/H. Gärtner (Hrsg.), Paulys Realencyclopädie der classischen Altertums-wissenschaft (RE), Metzler Verlag, Stuttgart 1983 – 1990.
3. K. Ziegler/ W. Sontheimer/H. Gärtner (Hrsg.), Der Kleine Pauly, Lexikon der Antike, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009.
4. Karl Christ, Antike Numismatik. Einführung und Bibliographie, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1991, S. 9 – 100.
5. Harald von Petrikovits, Die Spezialisierung des römischen Handwerkes, in: Beiträge zur Römischen Geschichte und Archäologie II, Rheinland-Verlag, Köln 1976 und 1991.
6. H. Jankuhn/W. Janssen/R. Schmidt-Wiegand/H. Tiefenbach (Hrsg.), Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen 1981, S. 63 – 132.

Photo 1 zeigt von links nach rechts folgende Münzarbeiter: „malleator monetae“, „suppostor“, „aequator“; im Hintergrund einen „mediastinus“; ganz rechts den „flator argentarius aera


Dateianhänge:
Münzprägung in einer officina.jpg
Münzprägung in einer officina.jpg [ 122.19 KiB | 17260-mal betrachtet ]
Römische Münzprägestempel.jpg
Römische Münzprägestempel.jpg [ 120.72 KiB | 17260-mal betrachtet ]
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BeitragVerfasst: 23. Jun 2009, 20:00 
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BeitragVerfasst: 24. Jun 2009, 06:38 
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Hofrat
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Gruß Justus

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BeitragVerfasst: 24. Jun 2009, 10:42 
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Hofrat

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justusmagnus hat geschrieben:
Angeregt durch eine, wie ich meine, unzulängliche Darstellung dieses interessanten Themas, konnte ich es nicht lassen, genauer zu recherchieren, um Euch das Ergebnis hier präsentieren zu können.
Deine Darstellung ist so gründlich, dass ich sie komplett kopiert habe und in Ruhe irgendwann lesen und mit meinen bisherigen Bruchstücken vergleichen werde. Aber ich kann jetzt schon sagen, dass es das ausführlichste ist, was ich bisher gelesen habe, eventuell etwas für wikipedia?

Es grüßt freundlichst Dietemann


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BeitragVerfasst: 24. Jun 2009, 14:10 
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:whow: WOW !

Vielen herzlichen Dank für diesen umfassenden und äusserst informativen Beitrag :D

salvete
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BeitragVerfasst: 24. Jun 2009, 17:04 
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Hallo Justus,

ich ziehe meinen Hut vor Deinem umfassenden Wissen und Deiner Recherche..
Da sieht man wieder, wie wichtig es ist, über den Tellerrand zu blicken. ;)

Leider befassen sich nur wenig Numismatiker mit Archäologie und so gut wie kein praktizierender Archäologe mit Numismatik.
Dabei führt nur die Verbindung von Numismatik mit Geschichte und Archäologie zu umfassenden Erkenntnissen.
Bei meinen Grabungen stelle ich immer wieder fest, wie sehr die Numismatiker von den Archäologen abhängig sind, welche die keltischen Münzen mit Hilfe der Beifunde aus den Fundschichten datieren.

Ein umgekehrter Vorgang zu den römischen Münzen, wo die Beifunde aus den archäologischen Schichten mit Hilfe der Münzen datiert werden.

In Roseldorf konnte zum Beispiel erstmals das dort geprägte Kleinsilber innerhalb der archäologischen Schicht mit der Keramik und den Knochen datiert werden.

Viele Grüße
Harald

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BeitragVerfasst: 25. Jun 2009, 08:32 
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Doktor
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Super Justus,

wenn du nichts dagegen hast, kopiere ich den Beitrag für mein Archiv.

LG
Richard


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BeitragVerfasst: 25. Jun 2009, 09:43 
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Hofrat
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Hallo Dietemann, hallo Richard,

aber selbstverständlich, deswegen ist der Artikel ja geschrieben worden. Und natürlich freut es einen auch, wenn man etwas zur "Weiter- oder Fortbildung" von uns "NUMIS" (Fachbereich "ÖME") tun konnte.

@ dietemann - mit wikipedia kenn' ich mich nicht aus! Ich weiß z. B. nicht, wie man Bilder einbindet.

mit sammlerkollegialen Grüßen

Justus

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BeitragVerfasst: 25. Jun 2009, 11:56 
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Doktor
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Schon geklaut.

Sollte dieser Beitrag nicht auch auf wichtig gesetzt werden. Diese Infos sind nirgends in dieser Ausführlichkeit zu finden.

LG
Richard


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BeitragVerfasst: 25. Jun 2009, 17:06 
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Ich schau schon, dass der Beitrag nicht verkommt!

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