Und hier noch eine Sammlergeschichte:
Bekanntlicherweise nahmen mehrere griechische Städte für sich in Anspruch, Geburtsort Homers zu sein. Eine davon war Amastris in Paphlagonien, wo in der römischen Kaiserzeit "pseudo-autonome" Münzen mit dem "Porträt" Homers geprägt wurden. Gekoppelt war die Vorderseite mit verschiedenen Rückseitentypen wie Nike, Athena, Tyche etc., die keinen weiteren Bezug zu Homer aufweisen. Eine Ausnahme aber stellt der Typus mit gelagertem Flussgott Meles dar, der eine Lyra hält (siehe 1. Foto). Klose schreibt in seinem Buch zur Münzprägung von Smyrna in der Kaiserzeit, S. 36:
Nach smyrnäischer Vorstellung soll Homer ein Sohn des Meles gewesen (Kritias bei Philostr. soph. pref. (480)) oder zumindest am Meles geboren worden sein; deshalb habe er ursprünglich Melesigenes geheissen. Es ist kein Zufall, dass dieser Meles in Verbindung mit Homer auch auf Münzen aus Amastris auftaucht, wurde die Stadt doch von Smyrna aus gegründet. Auch die Lyra nimmt natürlich Bezug auf den grossen Dichter.
Leider ist es mir bisher nicht gelungen, eine solche Münze zu erwerben. Vor einiger Zeit erstand ich jedoch für wenig Geld aus einer alten Fälschungssammlung eine Kopie dieses Types (siehe 2. Foto). Auch wenn das Stück nicht aus einer Fälschungssammlung gekommen wäre, wäre aufgrund des Stiles und der Machart für den Kleinasiensammler natürlich offensichtlich gewesen, dass es kein Original sein kann. Ich hielt es jedoch für möglich, dass es sich bei dem Stück um eine relativ alte Kopie handelt (d.h. nicht aus dem 20. Jh.), die hergestellt wurde, um in einer Sammlung eine Lücke zu schliessen: die wenigen "Porträtmünzen" von Homer sind schliesslich alle selten und schwer zu finden.
Ich begann mich schliesslich etwas genauer mit diesen Prägungen auseinander zu setzen und konsultiere im Zuge dieser Recherchen bei einem Bekannten auch das 1924 postum in der SNR publizierte Werk von Imhoof-Blumer zu den Fluss- und Meergöttern (welches ich leider nicht selber besitze). Als ich mir da sein Tafelstück des Meles aus Amastris anschaute (Tf. VII, Nr. 21, siehe 3. Bild), stockte mir kurz der Atem: das sah doch ganz nach dem gleichen Rückseitenstempel wie bei meiner Kopie aus! Leider hatte ich mein Exemplar nicht bei mir, also scannte mir mein Freund das Foto und schickte es mir per email zu. Als ich, zu Hause angekommen, das Foto mit meinem Exemplar verglich, stockte mir der Atem nochmals: das war nicht nur der gleiche Rückseitenstempel, sondern es war
die gleiche Münze! Offensichtlich hatte Imhoof-Blumer sie für antik gehalten und zur Illustrierung dieses Flussgottes ausgewählt. So war ich also unverhofft zu einer als echt publizierten Nachprägung gekommen und ich konnte sie damit immerhin schon bis mindestens 1924 zurück verfolgen.
Glücklicherweise lieferte Imhoof-Blumer auch einen Herkunftsnachweis zu der Münze: "Arolsen" (S. 96, Nr. 215). Meinem Freund, der mir das Werk von Imhoof-Blumer zur Verfügung gestellt hatte, verdanke ich den entscheidenden Hinweis bei der Entschlüsselung dieser Angabe: Arolsen (heute Bad-Arolsen) war der Sitz der Fürsten von Waldeck-Pyrmont, und Imhoof-Blumer bezog sich auf die bekannte Sammlung Prinz Waldeck, die in den 1930er Jahren durch die Münzhandlung Basel in mehreren Auktionen versteigert wurde. Dies passt insofern ausgezeichnet, als die Münze nach meinen Informationen für längere Zeit in einer Fälschungssammlung in Basel gelegen hat, bevor ich sie erwerben konnte. Ich vermute, dass die Münzhandlung Basel das Stück als Nachprägung erkannte und deshalb nicht verkaufte.
Prinz Christian August zu Waldeck war der jüngere Bruder des regierenden Fürsten Friedrich Karl August von Waldeck-Pyrmont (reg. 1763-1812) und ein bekannter Sammler von Antiquitäten und Münzen. Er wurde 1744 geboren und durchlief eine erfolgreiche militärische Karriere, in deren Verlauf er als Freiwilliger in der russischen Armee und später als General im österreichischen Heer diente. Er starb 1798 in Lissabon, wo er zuletzt als Oberkommandierender der portugiesischen Armee tätig gewesen war. Curtis Clay wies mich darauf hin, dass Prinz Waldeck durch Eckhel in seiner Doctrina Numorum auf S. CLXXVII als erfahrener Sammler mit gutem Auge und einer besonders prachtvollen Sammlung von römischen Sesterzen gelobt wurde.
Über Imhoof-Blumer lässt sich mein Exemplar also bis in die Sammlung Prinz-Waldeck und somit mindestens ins 18. Jahrhundert zurück verfolgen, was mich beides sehr gefreut hat. Es belegt natürlich auch genau die Vermutung, die ich ursprünglich hatte: dass es sich um eine neuzeitliche Nachprägung handeln könnte, die wohl zwecks "Lückenfüllung" hergestellt wurde.
Somit kann ich jetzt zitieren:
Neuzeitliche Nachprägung einer pseudo-autonomen Bronze aus Amastris, Paphlagonien.
Av: OMHPOC, bärtiger Kopf des Homer mit Tainia nach rechts.
Rev: AMACTPIANΩN / MEΛHC, der Flussgott Meles nach links auf einem Quellgefäss gelagert, er hält eine auf das rechte Knie gestützte Lyra in der rechten Hand, in seinem linken Arm eine Schilfpflanze.
29 mm, 12.14 g
Imhoof-Blumer, SNR 23, S. 96, 215 und Tf. VII, 21 (
dieses Exemplar, als antik!)
Ex Sammlung Prinz-Waldeck.Abbildungen:
1. ein echtes Exemplar des Types, Foto von wildwinds
2. mein Exemplar
3. Tf. VII, Nr. 21 bei Imhoof-Blumer
3. Porträt von Prinz Christian August zu Waldeck, von wikipedia (bitte nicht auf mich einprügeln
)