Ich möchte hier aus meiner WeMü-Sammlung zwei Stücke aus Ungarn vorstellen, die zwar gelegentlich gezeigt werden, über deren Hintergrund jedoch kaum Informationen zu finden sind. Beide Stücke sind zeitgenössische Imitationen aus dem Ungarn des 12. Jahrhundert, und die gängige Deutung geht dahin, daß sie als Falschgeld im Handel in Umlauf gebracht werden sollten. Es gibt aber noch einen anderen Ansatz!
Dateianhang:
1172-96_Bela_Imitation_Byzanz_n.jpg [ 109.04 KiB | 8470-mal betrachtet ]
Zitat:
Ungarn, Bela III. (1172-96) - Billon-Trachy im byzantinischen Stil. Av. Gottesmutter frontal. Legende SANCTA - MARIA. Rv. Zwei gekrönte Gestalten sitzen frontal, links Bela, rechts REX SCS (Stephan?), halten gemeinsam Standarte oder Kreuz. Rethy 98-100, Huszar 72.
Anm. Der Münzherr wird kontrovers diskutiert: Rethy nimmt Stephan IV. (1162-63) an, mehrheitlich gilt jedoch Bela III. (1172-96) als Münzherr.
Dateianhang:
1139_Almoravid_Imitation_n.jpg [ 112.12 KiB | 8470-mal betrachtet ]
Zitat:
Ungarn, Bela III. (1172-96) - Billon-Imitation eines Dinar der Almoraviden mit pseudo-arabischen Legenden. Huszar 73.
Anm. M. Mitchiner weist diesen Typ Alfonso VII. von Kastilien und Leon (1126-1157) zu.
Den folgenden Text habe ich aus dem Englischen übertragen.
Diese Münzen gehören zu einer seltenen Gruppe von mittelalterlichen Imitationen; Kupfergeld nachgeahmt für den lokalen Gebrauch, also nicht die Typen der bekannteren Beispiele von Gold- und Silberimitationen, die vermutlich im Handel verwendet wurden. Kupfergeld war im Europa des Mittelalters knapp: die verfügbaren Vorlagen waren byzantinische und muslimische Münztypen. Tatsächlich wurden in Sizilien im 12. Jahrhundert und in den Kreuzfahrerstaaten, wo in Kupfer geprägt wurde, eben diese Vorbilder verwendet. Ähnlich wurden auch in Ungarn zwei Typen von Kupfermünzen geprägt - ein pseudo-arabischer und ein pseudo-byzantinischer. Es bleiben jedoch etliche Fragen offen, die nur durch eine numismatische Analyse möglicher Vorbilder, Münztypen, - bilder und -legenden beantwortet werden könnten. Eine derartige Arbeit wurde bislang nicht publiziert. Der Mythos, daß es sich um Prägungen durch muslimische Münzbeamte (Anm. die es in Ungarn gab!) handelt, läßt sich nicht aufrechterhalten. Die Erklärung liegt möglicherweise im Unternehmergeist Belas III. Es war vermutlich ein Währungsexperiment, das nicht von Dauer war. Das ungarische Experiment würde dann anderen Ansätzen für die Verwendung von Kupfergeld ähneln, bei denen ein Rückgriff auf Fremdwährungen in Verbindung mit einer Münzreform zusammengeführt wurde.
Nora Berend, At the gate of Christendom: Jews, Muslims and 'Pagans' in Medieval Hungary.Da hier auf die Prägungen der Normannen in Sizilien verwiesen wird, zeige ich unten zum Vergleich zwei solche Stücke, die auf die gleichen Vorbilder zurückgreifen, wie die ungarischen Imitationen - einen "byzantinischen" Follaro mit der Gottesmutter (
MP - IC), geprägt 1155/56 unter Wilhelm I. mit arabischer Umschrift im Revers ("
zarb bi-Missina sanat 550") und einen "muslimischen" Follaro, geprägt unter Roger II. 1141/42 ("
zarb bi-Missina sanat 536"), also ebenfalls in Messina.
Gruß klaupo