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Österreichische Brakteaten
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Autor:  otakar [ 2. Feb 2011, 00:44 ]
Betreff des Beitrags:  Österreichische Brakteaten

Liebe Freunde!
Damit das Mittelalter in unserem Forum wieder ein wenig aus dem Dornröschenschlaf erwacht, möchte ich heute einige Raritäten vorstellen: Österreichische Brakteaten.
Jeder kennt die oft wunderschönen deutschen Brakteaten, die vor allem in Nord- und Mitteldeutschland, aber auch in der Gegend rund um den Bodensee und in Böhmen im 12. und 13. Jahrhundert geprägt wurden. Im Ostalpenraum scheint dieser Münztyp jedoch kaum auf und vielen Sammlern wird gar nicht bekannt sein, dass es doch welche gibt. Im CNA, dem Standardwerk für Mittelalternumismatik werden 2 Prägestätten angeführt: Völkermarkt (in der Zeit von etwa 1250 – 1290) mit 31 gesicherten und 5 fraglichen Brakteaten, und Griffen mit 11 Exemplaren. Dazu käme noch die Münzstätte Landstrass in Slowenien mit 6 Stücken.
Warum gerade in der herzoglichen Münzstätte Völkermarkt unter den Spanheimer Herzögen Bernhard, Ulrich III. und Philipp, sowie unter deren Nachfolger Ottokar II. von Böhmen und in der nahe gelegenen Bamberger Münzstätte Griffen unter Erzbischof Berthold von Leiningen Brakteaten geprägt wurden, weiß man nicht genau. Wahrscheinlich hängt es mit dem ständigen Gewichtsverlust der Pfennige zusammen. Um die leichteren Münzen doch etwas größer erscheinen zu lassen, wurden dünnere Schrötlinge verwendet, was aber bei zweiseitiger Prägung (Halbbrakteat) ein sehr schlechtes Münzbild vor allem auf der Rückseite ergab. Man ließ daher den Rückseitenstempel gleich weg und prägte auf einer weichen Unterlage (Blei, Leder). Die tief geschnittenen Stempel prägten sich so ein, dass auf der Rückseite ein Negativabdruck des Münzbildes erschien. Beliebt waren diese dünnen „Blechmünzen“ nicht, daher war ihr Umlaufbereich auf Ostkärnten beschränkt. Die Beliebtheit der von den Salzburger Erzbischöfen in der Nachbarschaft geprägten Friesacher und der aus dem Süden vordringenden Agleier (Aquilea) war weitaus größer, sodass nach dem Sturz Ottokars (1276) die Brakteatenprägung bald wieder eingestellt wurde (um 1290).
Bild 1: CNA Cc26 Brakteat Völkermarkt (1275 – 1290)
Bild 2: CNA Ce2 Brakteat Griffen (Berthold von Leiningen 1258 – 1285)
Ich hoffe, es hat Euch interessiert.
Otakar

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CNA Cc26 Völkermarkt.jpg
CNA Cc26 Völkermarkt.jpg [ 93.46 KiB | 30148-mal betrachtet ]
CNA Ce2 Griffen.jpg
CNA Ce2 Griffen.jpg [ 101.16 KiB | 30148-mal betrachtet ]

Autor:  KarlAntonMartini [ 2. Feb 2011, 10:31 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Österreichische Brakteaten

Da du die Kärntner Besitzungen des Hochstifts Bamberg ansprichst, ein Thema, das ich schon 1978 mal bearbeitet habe, gestatte mir die kleine Korrektur: Berthold war nicht Erzbischof sondern nur Bischof. Das alte Bistum Bamberg war zwar seit dem Hochmittelalter exemt, d.h. aus der Gliederung in Kirchenprovinzen ausgenommen und direkt dem Papst unterstellt, zur Rangerhöhung zur eigenen Metropolie und damit zum Erzbistum kam es erst 1819. Die Kärntner Besitzungen gehörten nicht zum kirchlichen Sprengel des Bistums, sie waren Teil des weltlichen Besitzes des "Kaiserlichen Hochstifts". Verwaltet wurde der Streubesitz, der kleinere geschlossene Territorien nur um Wolfsberg, Bleiberg, Villach und Tarvis enthielt vom bambergischen "Vizedom" in Wolfsberg. Bis ins 17. Jahrhundert gelang es den Bischöfen, den kärntner Besitz teilweise reichsunmittelbar zu erhalten, danach blieb er noch bis 1759 landständisch, bis Maria Theresia eine Art Zwangverkauf durchführte, der Kaufpreis soll nie bezahlt worden sein. - Zur Zeit des Bischofs Berthold war Bamberg in Österreich noch an anderen Orten begütert, es gab zB größere Besitzungen am Attersee um Vöcklamarkt. Nachdem der Bischof daheim sich kaum gegen das Domkapitel durchsetzen konnte, waren die auswärtigen Besitzungen sein häufiger Aufenthalt und wohl auch wichtige Einkommensquelle. Bamberger Pfennige aus der Zeit werden hier vorgestellt: http://www.landschaftsmuseum.de/Seiten/ ... nstein.htm
Grüße, KarlAntonMartini

Autor:  otakar [ 2. Feb 2011, 21:32 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Österreichische Brakteaten

Danke lieber KAM für die Korrektur bei Bischof Berthold. Ich habe hier das Erzstift Bamberg zusehr mit dem Erzstift Salzburg assoziiert, das ja schon seit 798 von Erzbischöfen geleitet wurde. Ja, es ist immer wieder erstaunlich, wo die einzelnen Bistümer ihre Besitzungen verstreut hatten und wie sie es geschafft haben, die Kontakte über so riesige Strecken aufrecht zu erhalten. Ohne geeignete Vögte wäre wohl auch eine Verwaltung der kleineren Besitzungen nicht möglich gewesen. Du erwähnst die Bamberger Besitzungen um den Attersee; als Oberösterreicher interessiert mich das, vielleicht weißt Du welche Orte das genau sind. Mir ist bekannt, dass Frankenburg und Kirchdorf a.d. Krems Bamberger Besitzungen waren und dass auch einige Klöster (wie Schlägl) im weiteren Sinn mit Bamberg zu tun hatten. Der angegeben Link ist für mich sehr interessant und ich danke für den Hinweis. Von Heinrich II. von Bilversheim habe ich auch einen Pfennig (Brakteaten?). Da er der Vorgänger von Bischof Berthold war, kann es leicht sein, dass die Brakteatenprägung in Griffen quasi der Versuch war, diesen Münztyp auch in Kärnten populär zu machen, denn in der Münzstätte Villach wurden zuvor (unter Otto II. von Meranien und Thiemo von Lyskirch) ausschließlich Pfennige vom Friesacher Typ geprägt. Der Spanheimer Herzöge Bernhard und Ulrich III. haben in Völkermarkt vielleicht dann ebenfalls das lukrative Geschäft gewittert und mit der Brakteatenprägung begonnen. Interessant ist aber, dass in ihrer Hauptmünzstätte St. Veit keine echten Brakteaten aber viele Halbbrakteaten - z.T. sogar mit gleichen Münzbildern - geprägt wurden.
Liebe Grüße!
OTAKAR

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Bamberg Heinrich v. Bilversheim Barakteat.jpg
Bamberg Heinrich v. Bilversheim Barakteat.jpg [ 100.13 KiB | 30126-mal betrachtet ]

Autor:  KarlAntonMartini [ 2. Feb 2011, 22:43 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Österreichische Brakteaten

Zu Bamberger Besitzungen am Attersee gibts hier weitere Hinweise: http://www.brue.de/oesterreichundbamberg/index.html

Autor:  otakar [ 2. Feb 2011, 23:26 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Österreichische Brakteaten

Danke KAM, für den interessanten Link. Ich habe wieder etwas dazugelernt, da ich nicht wußte, dass das gesamte Gebiet westlich des Attersees neben den anschließenden Gebieten im südlichen Hausruck (Vöcklamarkt, Frankenburg) einmal bambergisch war.
LG
Otakar

Autor:  Klosterschueler [ 3. Feb 2011, 20:14 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Österreichische Brakteaten

Danke euch beiden für die wunderbaren Beiträge.

Klosterschüler

Autor:  otakar [ 3. Feb 2011, 23:44 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Österreichische Brakteaten

Danke lieber Olaf für Deine aufmunternden Worte. Manchmal kommt man sich in dieser Ecke des Forums (Mittelalter) schon sehr einsam vor und ich blicke oft ein wenig neidisch auf die Römer, Griechen, Kelten Token usw. wo es von Beiträgen nur so wimmelt. Habe ich das falsche Sammelgebiet oder sollte ich doch eher mein Römertablett einmal nach interessanten Stücken durchsuchen? Aber ich komme von den wunderbaren Bildern der Mittelaltergepräge nicht los! Warum trauen sich eigentlich so wenige über diese hochinteressante Materie?
Liebe Grüße nach Graz!
OTAKAR

Autor:  Klosterschueler [ 3. Feb 2011, 23:47 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Österreichische Brakteaten

Lieber Otakar!

Neinneinnein, mach nur weiter, einen Leser hast du ;-)

Olaf

Autor:  Afrasi [ 4. Feb 2011, 00:35 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Österreichische Brakteaten

Moin Otakar!

Ich schließe mich dem Klosterschüler in fast allen Punkten an, nur dass Du mindestens 2! Leser hast. ;)

Deine "Einsamkeit" macht Dich nur noch umso wichtiger! :whow: Ich als numismatisch an allen Länder und Epochen Interessierter möchte Dich keinesfalls missen! Es gibt noch soviel zu lernen für mich, und im europäischen Mittelalter vermutlich noch am meisten. :oops:

Tschüß, Afrasi

Autor:  ischbierra [ 4. Feb 2011, 01:28 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Österreichische Brakteaten

Hallo otakar,
in Dresden sitzt auch jemand, der sich für Mittelaltermünzen erwärmt, nur habe ich keine Beiträge zu österreichischen Brakteaten.Aber ich denke, wir werden schon noch ein paar schöne Stücke dieser Zeit vorstellen.
Gruß ischbierra

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