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BeitragVerfasst: 16. Okt 2013, 14:54 
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Wirklicher Hofrat

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Im Verlauf der napoleonischen Kriege hatte sich Breslau seit Beginn 1813 zum zentralen Ausgangspunkt der Befreiungsbewegung gegen Napoleon entwickelt. Während der Widerstand gegen die französische Ausbreitung stärker wurde, erließ der preußische König Friedrich Wilhelm III. aus dem Exil (Berliner Lesart: "Unser Dämel sitzt in Memel") den Aufruf "An mein Volk". Dieser wurde am 20. März veröffentlicht. Ihm folgte eine allgemeine Mobilmachung, wie sie auf dem Blücher-Denkmal von 1824 mit dem "Auszug der Preußen aus Breslau" dargestellt wurde.
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1827_Depart_de_Breslau_MM_1322_n.jpg [ 111.77 KiB | 12008-mal betrachtet ]

Anm. Das Bild wurde freundlicherweise von Münzen & Medaillen GmbH (DE) zur Verfügung gestellt. Die zugehörige Auktion mit ausführlicher Beschreibung zeigt ein falsches Bild.

Am 16. Oktober 1813 trafen bei Leipzig die vereinigten Streitkräfte von Österreich, Russland, Preussen und Schweden in Anwesenheit ihrer Souveräne auf die Grande Armée Napoleons, die sich auf ihrem verlustreichen Rückmarsch aus Russland befand. Das dreitägige Treffen wurde vielfach und ausführlich beschrieben und ging unter der Bezeichnung "Völkerschlacht bei Leipzig" in die Geschichte ein. Wann sich diese Bezeichnung herausbildete, habe ich nicht herausfinden können. Der Jeton nennt sie noch DIE ENTSCHEID : SCHLACHT DER ALIIERTEN BEY LEIPZIG / DEN 18. = 19. OCT : 1813.
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1813_Leipzig_Jeton_n.jpg [ 115.96 KiB | 12008-mal betrachtet ]

Messingjeton mit Restversilberung 1813 (von Stettner) auf die Völkerschlacht bei Leipzig. Die Brustbilder Franz I. und Alexanders gegeneinander. Rv. Preußischer Adler über Schlachtszene vor der Stadt. 33 mm. Br. 1259. Trésor Tf. 57.11. Slg. Jul. 2673.

Napoléon selbst notiert im "Bulletin de la Grande Armée" vom 24. Oktober 1813: "La cannonade fut terrible" ... "Le champ de bataille resta en entier en notre pouvoir, et l'armée française resta victorieuse aux champs de Leipzig ..." (d.h. Das Schlachtfeld blieb zur Gänze unter unserer Kontrolle, und die französische Armee blieb auf den Feldern von Leipzig siegreich ...)

Gegen diese Deutung spricht u.a. die Verleihung von Kriegsdenkmünzen für Kombattanten aus Preußen 1813/14 und Nichtkämpfer 1815 (im Volksmund als "Pflaume" bezeichnet), gestiftet am 24. Dezember 1813 bzw. am 7. Januar 1815 durch König Friedrich Wilhelm III. von Preußen.
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1813-1815_Leipzig_Pr_Orden_n.jpg [ 117.54 KiB | 12008-mal betrachtet ]

Die Kombattanten-Medaille (Messing, OEK 1913) trägt auf dem Rand die Inschrift: – AUS – EROBERTEM – GESCHÜTZ -. Die Nichtkämpfer-Medaille (HUS 1338, OEK 1921, Slg. Julius 3545) ist aus Gußeisen.

Diesen bescheiden wirkenden Stücken füge ich zur Illustration die Souveräne, deren Armeen sich bei Leipzig gegenüberstanden, im Münzbild an.
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In den folgenden hundert Jahren wurde die Völkerschlacht in Deutschland unter nationalem Aspekt nach und nach episch überhöht. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung am Vorabend des 1. Weltkriegs, als dank der Gründung und Initiative eines Patriotenbundes anläßlich der Jahrhundertfeier der Schlacht 1913 das monumentale Völkerschlacht-Denkmal bei Leipzig fertiggestellt wurde. Offiziell wurden zwei Gedenkmünzen verausgabt, die ich ihrer Häufigkeit wegen als bekannt voraussetze - Preußen, 2 Mark A und 3 Mark A, 1913 Jahrhundertfeier der Befreiungskriege, "Der König rief" und Sachsen, 3 Mark 1913 E, Völkerschlacht-Denkmal 18. Oktober 1813-1913 mit der Darstellung des Denkmals. Die Medaillen, die der Patriotenbund zu diesem Anlaß bei B.H. Meyer, Pforzheim fertigen ließ, sprechen ihre eigene Sprache.
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1813-1913_Patriotenbund_Combi_n.jpg
1813-1913_Patriotenbund_Combi_n.jpg [ 105.35 KiB | 12008-mal betrachtet ]

Alle drei Medaillen zeigen im Revers das Denkmal. Seine Gestaltung wird sehr kontrovers diskutiert. Das linke Avers zeigt als Allegorie einen Kampf von vier Adlern - die vier Wappenadler von Frankreich, Russland, Österreich und Preußen. Der schwedische Wappenlöwe ließ sich da wohl schlecht integrieren. Rechts ist der Architekt Clemens Thieme (1861-1945) zu sehen, Initiator der Gründung des Deutschen Patriotenbundes und Organisator der Finanzierung des Denkmals, der auch Einfluß auf die Gestaltung nahm. Bemerkenswert erscheint mir allerdings besonders die Verfremdung des Erzengels Michael , der monumental über dem Eingang des Denkmals aufragt. Ohne Heiligenschein und Flügel, das Flammenschwert zu einer Waffe aus Stahl umgestaltet, wurde er zum "Kriegsmann" uminterpretiert.

Nun sind wir wieder hundert Jahre weiter, und die Völkerschlacht wird diesmal als virtuelles Event präsentiert. Gottlob geht es dabei ohne Blutvergießen zu.

Gruß klaupo


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BeitragVerfasst: 16. Okt 2013, 21:01 
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Vielen Dank für Deinen lesenswerten und schön bebilderten Beitrag!

Heute morgen habe ich gehört, dass die Bezeichnung Volkerschlacht bei Leipzig sich erst in den 30er Jahren des 19. Jh. gebildet hat.

Eine kleiner Korrektur: Der Rückzug aus Russland erfolgte bereits Ende 1812 und war Anfang 1813 abgeschlossen. Napoleon kam mit "frischen" Truppen nach Leipzig. Die immer stärker werdenden Zwangsrekrutierungen waren auch selbst in Frankreich sehr unbeliebt. Viele versuchten, sich den Zwangsrekrutierungen zu entziehen.

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BeitragVerfasst: 17. Okt 2013, 11:46 
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k&k Hoflieferant, Wirklicher Hofrat
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Zitat:
Den Begriff »Völkerschlacht« hat der Freimaurer und preußische Offizier Friedrich Carl Ferdinand Freiherr von Müffling geprägt – im Generalstabsbericht vom 19. Okt. 1813:
»... So hat die viertägige Völkerschlacht vor Leipzig das Schicksal der Welt entschieden«.

Quelle: http://www.leipziger-recherchen.de/page2.html

Der Begriff ist also schon ziemlich schnell nach der Schlacht entstanden. Napoleons Propaganda über den Ausgang der Schlacht konnte man natürlich nicht ernst nehmen.

Im Übrigen habe ich mal den mcsearch-Eintrag mit einer Anmerkung über das falsche Bild versehen und mit einem Link zu diesem Thema hier versehen.

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Viele Grüße
helcaraxe
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Meine Galerie: Römische Provinzbronzen (ausbaufähig... ;-))


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BeitragVerfasst: 18. Okt 2013, 12:46 
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helcaraxe hat geschrieben:
Der Begriff ist also schon ziemlich schnell nach der Schlacht entstanden.


Ich muss zum Ohrenarzt. Es hieß: ein bis zwei Jahre nach 1813... (und nicht nach 1830)!

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BeitragVerfasst: 18. Okt 2013, 16:21 
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Wirklicher Hofrat

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Danke für eure Ergänzungen und Korrekturen! Ein Stück zum Thema möchte ich noch vorstellen - eine russische Medaille. Sie ist Teil einer Serie mit gemeinsamem Avers, das auf die Völkerschlacht Bezug nimmt. Die folgende Ausschnittvergrößerung zeigt dieses Detail.
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1813-1837_Leipzig_MM_24_1612_Detail_n.jpg [ 98.59 KiB | 11957-mal betrachtet ]

Behelmte Büste Alexanders I., eine Lanze in der Rechten, den Schild a linken Arm. Auf dem Schildrand kämpfende Krieger und die Inschrift LEIPZIG. Im Feld des Schildes sichtbar ein Teil des doppelköpfigen Adlers. Inschrift auf dem Rand RODOMYSL’ DEVJATAGONADECJAT’ VEKA *). Unter dem Schild R. A. KLE **)
*) Der Rodomysl’ des 19. Jahrhunderts. Rodomysl’ war eine altslawische Gottheit der Weisheit und Tapferkeit.
**) Kopie. Der Stempel ist eine Arbeit des Alexander Klepnikov nach einem Modell des Grafen F. Tolstoj.


Von den Reversen, die mehrheitlich militärische Erfolge der Aliierten ansprechen, habe ich eines ausgewählt, das den Frieden thematisiert.
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1813-1837_Leipzig_MM_24_1612_Total_n.jpg
1813-1837_Leipzig_MM_24_1612_Total_n.jpg [ 106.45 KiB | 11957-mal betrachtet ]

Zitat:
Frieden für Europa. Bronzemedaille (von A. Ljalin) auf die Wiederherstellung des Friedens in Europa. Rossia mit Strahlenkrone und Zepter, den Mantel mit Zarenadlern bestickt, hält die Rechte über einen knienden geflügelten Jüngling, den Genius Europas. Er stützt sich auf einen bekrönten Schild mit dem Wappen Europa und der Stier, in der Rechten hält er eine Schriftrolle mit dem Jahr 1815. Zur Rechten der Rossia steht der bekrönte russische Doppeladler, auf der Brust einen Schild mit der Initiale A, auf zerbrochener Fahne mit Initiale N. Darüber Legende: Friede in Europa. Exergue: Nach einem Modell des Grafen Tolstoj / geschnitten von A. Ljalin 1837 / Kop. Lorenz /. 65,5 mm. Smirnov 390.

Anm. Auch diese Bilder wurden freundlicherweise von Münzen & Medaillen GmbH (DE) zur Verfügung gestellt. Die Beschreibung ist ebenfalls der zugehörigen Auktion entnommen, wofür ich mich an dieser Stelle herzlich bedanke.

Gruß klaupo


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BeitragVerfasst: 21. Okt 2013, 12:41 
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Nachwirkungen:

Karl Theodor Körners patriotisches Gedicht "Männer und Buben" von 1813 beginnt mit "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los."
http://ingeb.org/Lieder/dasvolks.html

130 Jahre später endete Goebbels Sportpalastrede mit "Nun, Volk, steh auf und Sturm brich los!"
http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/sportpalastrede/

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BeitragVerfasst: 21. Okt 2013, 17:46 
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Wirklicher Hofrat

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Die beiden Texte kannte ich nicht. Aber sie sind nach der Verfremdung des Erzengels Michael zum Kriegsmann auf der Medaille ein weiterer Beleg dafür, wie man durch geringfügige Änderungen von Bildern oder Texten eine völlig andere Denkweise, als ursprünglich beabsichtigt, übergestülpt bekommen kann. Danke für die Ergänzung.

Gruß klaupo


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