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 Betreff des Beitrags: Re: Niederländische Rechenpfennige
BeitragVerfasst: 6. Okt 2020, 17:14 
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Wirklicher Hofrat

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Vielen Dank für die freundlichen Kommentare!

Hier möchte ich nun den Nachguss einer sehr seltenen Medaille aus dem Achtzigjährigen Krieg vorstellen. Das Stück und das Portrait erscheinen mir als sehr saubere Arbeit, das Revers fällt (wie bei einer Bronze-Version, s.u.) dagegen ein wenig ab. Das einzige Vergleichsstück in Silber fand ich im British Museum. Die Bronze-Version wurde 2018 für 3000,- Euro (+ Aufgeld) hier versteigert:

https://www.sixbid.com/en/numismatica-r ... a-di-parma

Dateianhang:
1586_Med_Farnese_Maastricht_n.jpg
1586_Med_Farnese_Maastricht_n.jpg [ 110.88 KiB | 6674-mal betrachtet ]

Zitat:
Alexander Farnese (1578 bis 1592 Statthalter der habsburgischen Niederlande) Gegossene Silbermedaille (Designer Giannini, Giuliano, ca.1586)
Av. Im Perlkreis drapierte bärtige Büste nach r., auf der Brust den Orden vom Goldenen Vlies. Umschrift ALEXANDER PAR PLAC DVX III ET CT (Alexander III. Herzog von Parma und Piacenza etc). Exergue: IVLIANO F F.
Rv. Im Perlkreis Ansicht der belagerten Stadt Maastricht, darunter im Feld MAESTREHC. Umschrift INVITVS INVITOS (Wider seinen Willen ging er gegen die Unwilligen vor). 38 mm, 12,15 g (Nachguss Zinn 38 mm, 20,13 g). The British Museum, Museum number G3, FD. 334.; v. Loon, Histoire métallique, Part I, Liv. III, p. 265; Bargello 1643 (dort in Bronze).

Legende und Ordenskette ermöglichen eine Datierung der Medaille nach 1586. Den Orden erhielt Farnese erst nach der Einnahme von Antwerpen (1585), und den Namen Alexander III. nahm er erst nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1586 an.

Farneses Strategie bestand generell darin, den Belagerten großzügige Bedingungen für den Fall der Übergabe zu gewähren - keine Massaker und Plünderungen, Wahrung historischer Stadtrechte, umfassende Begnadigung und Amnestie. Eine schrittweise Rückführung zur katholischen Kirche war jedoch obligatorisch. Nach der Belagerung von Maastricht (12.03.- 01.07. 1579) wurde die Stadt allerdings drei Tage lang geplündert und gebrandschatzt, weil Farnese erkrankt war und nicht eingreifen konnte.

Über die Vita Farneses läßt sich hier einiges nachlesen:

https://muenzenwoche.de/alexander-farne ... en-haette/

Gruß klaupo


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 Betreff des Beitrags: Re: Niederländische Rechenpfennige
BeitragVerfasst: 7. Okt 2020, 10:58 
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Wirklicher Hofrat

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Es macht eigentlich wenig Sinn, hier eine seltene Medaille zu zeigen, wenn man sie nicht in einen Kontext stellen kann. Der soll nun folgen.

Farnese war es 1585 mit diplomatischem Geschick gelungen die abgefallenen Städte Antwerpen und Nimwegen wieder an die spanische Krone zu binden. Im gleichen Jahr liefen in Spanien die Vorbereitungen für eine Invasion Englands mit dem Aufbau einer gewaltigen Flotte – der Armada - bereits auf Hochtouren. Farnese war vorgesehen, die Landungstruppen an der niederländischen Küste zusammenzuziehen. Hier scheiterte er, weil die Versorgung der Truppen aus Spanien ausblieb und weil die Niederländer die Versorgungswege blockiert hatten. Zeitgleich erfolgte eine Annäherung zwischen England und den Generalstaaten, die den Vertrag von Nonsuch schlossen.

Auf diesen Vertrag prägte man in Dordrecht den folgenden Rechenpfennig – mit einer beißenden Satire im Revers:
Dateianhang:
1585_Rpfg_Englands_Support_n.jpg
1585_Rpfg_Englands_Support_n.jpg [ 100.13 KiB | 6654-mal betrachtet ]

Zitat:
Nördliche Niederlande - Rechenpfennig1585 Dordrecht, Kupfer. Der Vertrag von Nonsuch.
Av. Die englische Königin Elisabeth I. r. thronend, Rosenblüten an zwei niederländische Gesandte, die sich vor ihr verneigen, verteilend. MACTE · ANIMI · ROSA · NECTARE · IMBVTA (Faßt Mut. Die Rosen sind in Nektar getränkt.)
Rv. SPRETA · AMBROSIA · VESCITOR · FENO (Nachdem man Ambrosia verachtet hat, ernährt man sich von Heu) Zwei Spanier (Philipp II. und Farnese?) - gemeinsam mit Pferd und Esel an einer Futterkrippe stehend. 5,88 g. VL. I. p.355. D. 3044. SBV 301 a.

Anm. "Nonsuch" - d.h. "Nicht Seinesgleichen" war der volkstümliche Name eines Schlosses, mit dem Heinrich VIII. das französische Schloß Chambord übertreffen wollte. Es existierte unter wechselnden Besitzern von 1538 bis 1682-83, bis es unter Charles II. von dessen Maitresse zur Begleichung ihrer Spielschulden verkauft und abgetragen wurde.

Gruß klaupo


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 Betreff des Beitrags: Re: Niederländische Rechenpfennige
BeitragVerfasst: 7. Okt 2020, 13:45 
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Vielen Dank für Vorstellung und Hintergrund! Grüße, KarlAntonMartini


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 Betreff des Beitrags: Re: Niederländische Rechenpfennige
BeitragVerfasst: 7. Okt 2020, 23:54 
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Wirklicher Hofrat
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Registriert: 5. Jun 2010, 18:32
Beiträge: 1436
Lieber Klaupo,
ich bedanke mich auch sehr für dieses außergewöhnliche und interessante Thema. Ich habe mir den Beitrag wieder von Anfang an durchgelesen und finde es toll, was du über die historischen Hintergründe alles weißt. Bei den niederländischen R-Pfennigen ist interessant, dass sie auf viele aktuelle Ereignisse Bezug nehmen. Das ist bei österreichischen nicht der Fall. Sie sind -ausgenommen solche aus unserem Bundesland - auch nicht mein Sammelgebiet. Die künstlerisch sehr aufwändig gestalteten niederländischen Münzen haben neben ihrer erzählenden Funktion für Leute ohne Lesefähigkeit auch eine enorm politische Propagandawirkung.
Nochmals: Danke!
OTAKAR

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 Betreff des Beitrags: Re: Niederländische Rechenpfennige
BeitragVerfasst: 9. Okt 2020, 16:54 
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Wirklicher Hofrat

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Die Bildsprache der Rechenpfennige ist für die damalige Zeit tatsächlich prägnant und für uns nicht immer leicht zu entschlüsseln. Ein wenig kommen sie auch in den folgenden Stücken zum Tragen, die ebenfalls den Invasionsversuch Spaniens gegen England thematisieren. Am Beginn mag ein Stück stehen, das an das vorherige anschließt.

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1586_Dordrecht_Elizabeth_Leicester_n.jpg
1586_Dordrecht_Elizabeth_Leicester_n.jpg [ 113.85 KiB | 6615-mal betrachtet ]

Zitat:
Nördliche Niederlande – Rechenpfennig 1586 Dordrecht, Kupfer. Entsendung Leicesters in die Niederlande.
Av. SERMO DEI QVO(VIS) ENSE ANCIPI(TI) ACVTIOR (Gottes Wort ist schärfer als ein zweischneidiges Schwert) Ein aufrecht stehendes Schwert, bestrahlt von einem Lichterkranz, berührt mit der Spitze den Namen Jehovas.
Rv. E(lisabetha) R(egina) EST ALTRIX ESVRIENTIVM EVM (Die Königin Elisabeth nährt jene, die nach diesem Wort hungern) Königin Elisabeth thronend reicht zwei Gesandten der Niederlande ein großes Schwert, während ein Höfling ihr die Bibel vorhält. Br, 6,37 g. 40 mm, v. Loon P. I, Liv. IV, p. 350, D. 3096, SBV 302b

Die Königin von England beläßt es also nicht bei rhetorischem Beistand, sondern sie entsendet ihren Favoriten Leicester mit Hilfstruppen in die Niederlande. Das Schwert steht zum einen als Symbol für die Verteidigung der Niederlande unter dem Befehl von Leicester in ihrem Auftrag, zum anderen wird es in einen religiösen Kontext gesetzt "Gottes Wort etc. ..." zitiert aus dem Hebräerbrief von Paulus, Kap. IV, 13.

Leicesters Entsendung in die Niederlande brachte allerdings mehr Komplikationen als Unterstützung. Eigenmächtig unternahm er den Versuch Elizabeth als Souveränin der Generalstaaten zu installieren, brachte auch einige Städte auf seine Seite und plante angeblich sogar die Entführung der militärischen Führer nach England. Diese Aktivitäten blieben natürlich nicht unbemerkt und so gelangte die folgende Medaille mit ihrem Aufruf zur Einheit in den Umlauf. Leicester wurde nach England zurückberufen, von der Königin gerügt und starb finanziell ruiniert 1588. Hier nun die Medaille:

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1588_Med_Frangimur_n.jpg
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Zitat:
Nördliche Niederlande - Dordrecht, Medaille 1588
Av. FRANGIMVR SI COLLIDIMVR (Wenn wir aneinanderstoßen zerbrechen wir). Zwei Krüge auf bewegter See.
Rv. TRAHITE AEQUO JUGO (Zieht im gleichen Joch). Zwei Ochsen im Joch, darüber die Wappen von England und Holland. (späterer Guß, Pb) 40,5 mm, 38,67 g. M. Bizot, Histoire Métallique de la Republique de Hollande, Tome I., p. 63 f., Amsterdam 1688

Die Fabel von den zwei Krügen ist nach Aesop entlehnt und wurde im folgenden Jh. als Appell zur Einheit vielfach variiert. Anzumerken ist, daß ich diesen Medaillen-Typ im Original nie zu sehen bekam und auch bei van Loon nicht gefunden habe, sodaß ich als Referenz nur den o.a. Titel anführen kann.

Im Juli 1588 erschien die Spanische Armada im Ärmelkanal. Die folgende Seeschlacht und der Untergang der angeblich unüberwindlichen Flotte sind vielfach dokumentiert und sollen hier nur kurz angesprochen werden. Berühmt geworden ist das Zitat FLAVIT JEHOVA ET DISSIPAVIT (God blew and they were scattered). Ins Bild gesetzt wurde die spanische Katastrophe auf dem folgenden Rechenpfennig.

Dateianhang:
1588_Armada_Dordrecht_9367_n.jpg
1588_Armada_Dordrecht_9367_n.jpg [ 107.48 KiB | 6615-mal betrachtet ]

Zitat:
Nördliche Niederlande - Dordrecht, Rechenpfennig 1588. Untergang der Armada.
Av: HOMO · PROPONIT · DEVS · DISPONIT · (Der Mensch denkt, Gott lenkt), Vierköpfige Familie nach l. im Gebet kniend; darüber Strahlen aus Wolken hervorbrechend; Exergue • 1588 •
Rv: + HISPANI · FVGIV~T · ET · PEREV~T · NEMINE · SEQVE~TE (Die Spanier fliehen und verderben ohne daß sie verfolgt werden), Zerbrechendes Schiff unter Segeln nach rechts; Ligaturen Ωs über dem 2. V von FVGIVT, dem V von PEREVT, und dem 2. E von SEQVETE. (Cu, 5,77 g, 29 mm). Dugn. 3188,v. Loon p.392.2 MI 147/116; Eimer 60, SBV 311a.
Das Avers thematisiert die Dankbarkeit der Bevölkerung, die ihre Rettung dem Eingreifen Gottes zuschreibt. Das Revers bezieht sich auf die Umstände, unter denen die Spanier in ihr Verderben segelten: Nach der schweren Niederlage ließ der spanische Admiral seine verbliebene Flotte nach Norden abdrehen, ohne daß die Engländer unter Lord Howard wegen Munitionsmangel die Verfolgung aufnahmen. Die Armada geriet in einen heftigen Sturm und wurde vernichtet. Die Kosten für den Bau der Flotte ruinierten den spanischen Staat für die folgenden 100 Jahre.

Gruß klaupo


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