Hier nun etwas verspätet, leider hatte ich gestern kein Internet mehr, kommt der Teil über Wien und Österreich aus der deutschen Ausgabe von 1555. Sicherlich werden viele trotzdem, oder gerade deswegen, Probleme damit haben. Ich versuche euch deshalb einige Hilfestellung zu geben.
Zu bemerken sei vorab, dass es damals noch keinen Duden gab und einzelne Wörter in verschiedenen Schreibweisen vorkommen können, sogar selbst in einem Satz. Also nicht wundern, wenn mal ein Wort mit 2 „s“, „f“ etc. und dann mit nur einem „s“ oder „f“ etc. oder gar mit „ß“ statt „s“ geschrieben wurde. Kurz: geschrieben wie gesprochen. Leider ist mir nichts bekannt, was einem die Lesarten erklärt (Warum welche Typen wofür beim Druck benutzt wurden und wie man sie liest.).
°Man findet „Kringel“ bzw. "c" und „Punkte“ (wie wir es teils gewöhnt sind, z.B. „ü“) über Vokale, die genaue Bedeutung ist mir noch nicht klar, die "Kringel" könnte man als eine Betonung des Vokals deuten, sind manchmal aber schlecht von "c" zu unterscheiden, welche man sinnvoll mit unseren „ä“, „ö“ und „ü“ gleichsetzen und so lesen kann. Bsp. hierfür: „Schu°l“ (Kringel über "u"), "furen" (mit "c" über "u") oder „Teütschen“ (Deutschen).
°Ihr werdet am Anfang von Wörtern einen Buchstaben findet, der unserem „v“ ähnelt, es handelt sich aber um ein „u“. Ich vermute, es könnte ein unbetontes/schwaches „u“ sein, findet man aber nur am Anfang von Wörtern, wie z.B. „vber“ (uber -> über). Auch „j“ findet hier nur Verwendung als „i“, immer am Anfang eines Wortes, z.B. „jhr“ -> ihr, auch Wörtern, die wir heute mit „j“ schreiben, wie bei „jar“ -> iar -> Jahr oder „jhenseit“ (hier „jh“ als „j“) -> jenseits. Daneben auch um „ii“ darzustellen: „ij“.
°Nächstes Phänomen ist der Strich über verschiedenen Buchstaben, dies wurde aus der Schreibschrift übernommen und sollte Wörtern vor unnötig vielen Bögen schützen. Es handelt sich um ein „n“, aber auch „m“. Auch hier einige Beispiele: „komen“ mit Strich über „m“ oder „Centru“ mit Strich über „u“, ich fand das Wort sogar als „Cetru“ mit Strich über „e“ und „u“. Auch sehr schön ist „Copaß“ mit Strich über „o“.
°Um die Verwirrung noch perfekter zu machen, es gibt kein „v“ als extra Type, sondern man nahm munter das „u“, z.B. in „uiri“ -> viri oder „Graueschafft“ -> Graveschafft -> Grafschaft.
°Es taucht auch ein Zeichen, dass wie eine verstümmelte „2“ aussieht, man liest es als „r“ (Auch hier vermute ich ein unbetontes/schwaches „r“.). Manchmal könnte man es auch als „n“ ansehen. Bsp.: „orter“ (Kringel über „o“, erstes „r“ wie eine „2“) -> Örter oder „ferr“ (zweites „r“ wie eine „2“) -> ferr/fern.
°Darüber findet man „w“ am Ende von Diphthongen bzw. hinter Vokale, man liest es nicht mit bzw. ersetzt es mitunter das „u“, wie z.B. in „neuwen“ oder „newen“ -> neuen. Zum Teil ist es heute auch noch so, z.B. bei Ortsnamen, die auf „-ow“, die nur als „-o“ ausgesprochen werden.
Hier noch einige weitere Besonderheiten aufgelistet: „dz“ -> „dass/daß“; „d´“ -> „der/die/das“, analog „od´“ -> „oder“; „vn/vnd/vnnd“ mit und ohne Strich über „n“ -> „und“; „umb“ -> „um“; „seind“ -> „sind/sein“ etc. Wie ihr jetzt sicherlich seht, ist das ein perfektes Chaos. Aber ich hoffe, euch damit helfen zu können. Bei aufkommenden Fragen nicht scheuen, mich zu fragen.
Ich fange mit den Seiten "dccccxxxvij" und "dccccxxxviij" (937/38) an, der Rest folgt nach und nach.
Gruß Chippi
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_________________ Wurzel hat geschrieben: @ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.
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